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„Mein Hund ist wie mein Kind“ – oder was ist der kleinste gemeinsame Nenner im Erziehungs-Einmaleins

Wir lieben sie abgöttisch, unsere Fellknäuel, Spiel- und Sportskameraden, Schlabberohren, Seelentröster und mitunter Partnerersatz. Sie gehören zu unserer Familie, sind ein Teil von ihr, ohne sie würde etwas fehlen, wir wären nicht komplett. Unsere Hunde nehmen heutzutage in unserer Gesellschaft einen anderen Stellenwert ein, als es noch vor 100 oder 50 Jahren war. Damals waren unsere Hunde mehr „Nutztiere“ als Familienmitglieder, sie mussten Haus und Hof bewachen oder begleiteten Kutschen und Karren oder Jäger bei der Jagd. Ihr Lohn war, wenn sie Glück hatten, eine trockene Hundehütte im Hof und regelmäßig die Essensreste ihrer Menschen. Um eine Erziehung machte sich keiner Gedanken. Der, der nicht gefolgt hat, wurde erschossen oder weggesperrt. Heutzutage würden die meisten von uns bei dieser Vorstellung ein bemitleidendes „Moii, so arm“ seufzen und dabei seinen eigenen Liebling sanft kraulen, der es sich auf der Couch daneben bequem gemacht hat. Ja, unseren Hunden geht es heute viel besser. Sie werden umsorgt, betütelt, gepflegt, bekuschelt und beknuddelt, mit Delikatessen gefüttert, bespaßt und bespielt und sie schlafen bei uns im Bett. Dem allen ist im Grunde nichts einzuwenden, wenn dabei die Erziehung nicht unbeachtet bleibt. Viele dieser überversorgten und verwöhnten Vierbeiner entwickeln sich zum Haustyrannen, zur verzogenen Prinzessin oder zum Anarchisten, der alle Mitmenschen nur nervt.

„Aber er ist doch noch so klein!“ höre ich mindestens genau so oft wie „Aber er schaut doch so lieb“ während der kleine Fellracker gerade vorhin den Schuh zerkaut hat, im Garten ein Loch gebuddelt und jetzt gerade am Hosenbein seines Menschen herumzerrt. Wir lieben eben unsere Hunde so sehr, dass wir ihnen nichts verbieten wollen. Wir sind ja schließlich keine Spaßverderber. Es soll ihnen gut gehen und wir wollen von ihnen geliebt werden. Doch würden wir uns so ein Verhalten von unserem 4jährigen Kind gefallen lassen? Was würden wir tun wenn der 3jährige Max gerade mit dem Spielzeugauto gegen die Vitrine fährt? Oder die kleine Lisa vor Trotz schreiend an der Jacke zerrt? Was wir oft so ganz selbstverständlich bei unseren Kindern machen, nämlich Grenzen und Regeln aufstellen, wenden wir bei unseren Hunden nicht an. Warum eigentlich? Was genau macht die Hundeerziehung so schwer und warum brauchen wir dann Hundetrainer, die uns sagen wie es geht? Ich möchte dem ein wenig auf den Grund gehen.

Zum Einen gibt es immer wieder mal die Meinung, man solle doch in den ersten 12 Lebensmonaten mit dem Hund gar nix machen und erst danach wird er „abgerichtet“. Da schüttelt es mich. Abrichten klingt wie Herrichten klingt wie „ich prügle ihn bis er pariert“. Das hat man in den 70er und 80er gemacht, als der militärische Drill mit Kettenwürger und Leinenruck das normale Bild auf jedem Hundeplatz war. Ich soll also 12 Monate den Hund machen lassen was er möchte und dann zwinge ich ihn mit Schmerz, Leid und Geschrei dazu, alles sein zu lassen was er nicht tun soll? Nein so funktioniert Erziehung nicht. Das wäre vergleichsweise so, als würde ich einem Kind 12 Jahre gestatten alles tun zu dürfen und danach gibt’s Ohrfeigen wenn es nicht Tischmanieren zeigt oder Bitte und Danke sagt.

Dann gibt’s da noch eine andere Gruppe von Hundehaltern, die zwar davon überzeugt sind, ihrem Hund von Anfang an zu zeigen was er darf oder nicht darf, aber sind in ihrer Durchführung dermaßen hart und grob, schon fast gewalttätig, dass der Schuss nach hinten losgeht. Da wird der kleine Welpe oder Junghund im Nacken geschüttelt wenn er sich grad an der Zimmerpflanze zu schaffen macht, oder bekommt eine drüber weil noch nicht gelernt hat was Beißhemmung ist und seine Zähnchen zu fest in den Unterarm drückt. Nein, so funktioniert Erziehung auch nicht! Ihren 6jährigen Sprössling würgen Sie auch nicht halb besinnungslos nur weil er das Zimmer nicht aufgeräumt hat, oder prügeln ihn windelweich, weil er Ihnen beim Toben unabsichtlich reingelaufen ist. (Es mag solche Eltern geben, darüber möchte ich mich hier aber jetzt nicht äußern) Wer Gewalt erlebt wird auch Gewalt weitergeben. Hunde, die von ihren Menschen körperliche Strafe wie Schütteln oder gar Schläge oder Tritte erhalten, sind im Erwachsenenalter nicht selten ebenfalls aggressiv im Umgang mit anderen Hunden oder Menschen.

Genauso gut gibt es aber auch Hundebesitzer, die gar nichts tun, weil sie der Meinung sind, das regelt sich schon von alleine irgendwann. Oder es ist ihnen zu mühsam, oder sie wissen schlichtweg einfach nicht wie es geht.

Aber wie funktioniert denn nun Hundeerziehung? Wir können unseren Hunden ja nicht verbal erklären was sie falsch gemacht haben oder tun sollen? Ganz salopp gesagt: So wie Sie auch ihre Kinder erziehen oder erziehen sollten: Mit viel Liebe, Konsequenz und Geduld. Nun ja, das ist jetzt schnell daher gesagt, aber wie sieht das nun im Konkreten aus?

Wenn Sie ihren Hund dabei ertappen wie er sich gerade ihren Schuh schnappt, gehen Sie wortlos und ruhig hin und nehmen ihn ebenso ruhig weg. Kein Schimpfen oder Schreien, kein Wegreißen oder gar mit Gewalt das Maul aufmachen. Bleiben Sie ruhig aber ernst.

Will ihr Hund auf die Couch, Sie möchten das aber nicht? Dann schieben Sie ihn ruhig und sanft jedes Mal, wenn er es versucht, wieder hinunter. Der kleine Welpe oder Junghund wird beim Toben mit Ihnen immer ganz wild und beißt dann um sich? Unterbrechen Sie das Spiel, halten Sie ihn ruhig aber besonnen mit beiden Händen um den Brustkorb fest bis er sich beruhigt hat. Ein ruhiges, leises, langsames, ausgesprochenes „Ruhe“ oder „Stopp“ wirkt unterstützend mit. (Was später dann den Vorteil hat, dass alleine das Kommando unserem Hund signalisiert, jetzt ist Schluss.)

Nun kommt der schwierigere Teil dieser Erziehung! Nämlich die Konsequenz. Unsere Hunde machen das wo sie Erfolg haben. Wenn Sie nicht möchten, dass der Hund auf der Couch liegt, dann darf er da eben nie rauf. Und wenn ich sage „nie“, dann meine ich auch NIEMALS. Wenn Sie es ihm ab und zu doch erlauben, wird er es auch immer wieder versuchen. Also überlegen Sie es sich vorher ob er darf oder nicht, und das ziehen Sie dann durch. Vielleicht schieben Sie ihren Hund 50 Mal von der Couch, vielleicht auch 100 Mal. Manche Hunde sind ausdauernder als andere. Aber ich verspreche Ihnen: Irgendwann probiert er es nicht mehr, dann ist die Sache gegessen.

Jetzt werden Sie vielleicht sagen, das funktioniert ja nur wenn ich anwesend bin. Sobald der Hund alleine ist, liegt er trotzdem auf der Couch. Nein, nicht wenn Sie ihm keine Möglichkeit geben solange er diese Regel noch nicht vollends akzeptiert hat. Und das kann mitunter bis zu einem Jahr dauern. Wenn Sie weg sind und der Hund alleine zu Hause bleiben muss, dann bieten Sie ihm einen Platz wo er sich wohl fühlt und auch nichts Unerwünschtes passieren kann. Das kann eine große Box sein oder ein separates „Hundezimmer“ oder aber auch ein tierschutzkonformer Zwinger im eigenen Garten. Aber bitte mit entsprechender Eingewöhnung und nur stundenweise. Wenn Sie täglich 8 Stunden arbeiten, sollten Sie sowieso ihren Hund nicht alleine zu Hause lassen.

Was ist jetzt also zusammengefasst das Geheimnis einer respektvollen Hundeerziehung?

Liebe: seien Sie nicht grob im Umgang mit ihrem Hund. Sämtliche körperliche Interaktionen sollten frei von Gewalt, Schläge, Schmerz und Angst sein, aber auch kein Schubsen, Knuffen, Zwicken und Niederdrücken. Stattdessen können Sie ihn schieben, blocken, festhalten wenn‘s nötig ist aber auch streicheln, kraulen und massieren.

Konsequenz: wenn der Hund als Erwachsener etwas nicht tun darf, darf er es auch nicht als Welpe. Und wenn es „Nein“ heißt, dann heißt es „Nein“ und zwar immer. Auch wenn Sie ihrem Hund 100 Mal den Pantoffel wegnehmen, den er sich gerade geholt hat. Ihre Konsequenz wird sich bezahlt machen.

Geduld: Das ist das 3. Zauberwort und geht mit der Konsequenz Hand in Hand. Sie brauchen schon einen langen Atem, wenn Sie ihren Hund 50 Mal oder öfter auf seinen Platz schicken während Sie essen und nicht wollen, dass er daneben sitzt und bettelt. Halten Sie sich immer vor Augen: Ihre Ausdauer wird belohnt werden und später müssen Sie sich darüber nie mehr Gedanken machen.

Zu guter Letzt möchte ich hier noch einmal betonen, dass ich hier über Erziehung spreche. Über gute Manieren, ein höfliches Miteinander in unserer Gesellschaft, über Respekt, Regeln und Grenzen und einen netten Umgang zwischen Mensch und Tier.

Wenn Hunde Verhaltensprobleme zeigen, können die Ursachen dafür vielfältig sein und nicht einzig und allein der Mangel einer fehlenden Erziehung.

Eure "dog-smile" Bettina


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