top of page

„Die Bedrohung von oben“ – oder die Unsitte des Kopftätschelns

Meine Dogge Ronja ist mit ihren 82 cm Schulterhöhe und stattlichen 60 kg Gewicht schon eine imposante Erscheinung, wenn ich mit ihr durch die Stadt laufe. Die Reaktionen der Passanten sind durchwegs positiv, das muss ich wirklich sagen. Von „So ein schöner Hund“ bis „Wow was für ein großer Hund“ ist alles dabei. Viele bleiben stehen und gucken oder fotografieren auch mal. Immer wieder mal werde ich auch gefragt, ob man den Hund auch streicheln kann. Da mein Hund Fremden gegenüber im Allgemeinen freundlich gesinnt ist und je nachdem wie viele mich schon gefragt haben bzw. ich den Interessenten auch sympathisch finde, erlaube ich es dann oder eben nicht.

Kaum habe ich mit „Ja bitte, kein Problem“ grünes Licht für die Doggen-Streichel-Aktion gegeben, stehen sie schon da, die durchaus hundeliebenden und neugierigen Mitmenschen, um wenigstens einmal in ihrem Leben so ein „kleines Kalb“ gekrault zu haben. Sie strecken die Hand nach vorne um Ronja riechen zu lassen und genau in dem Moment wo ich mir denke, okay derjenige weiß wie man Kontakt mit fremden Hunden knüpft, geht die Hand schnurstracks nach oben zu ihrem Hinterkopf um sie dort zu tätscheln.

Ronja macht das, was wahrscheinlich die meisten Hunde machen, sie weicht zurück und signalisiert damit, dass sie das nicht toll findet. Kontakt ja, aber bitte nicht so.

Hunde mögen es nämlich gar nicht sich von Fremden den Kopf streicheln zu lassen, schon gar nicht so überfallsartig, ohne sich vorher ausreichend kennengelernt zu haben. Klar, es gibt sie, die Ausnahmen, die es lieben und gar nicht genug davon bekommen und jedem, der sich anbietet, ihr Haupt hinhalten. Ich behaupte jedoch, das ist eine kleine Minderheit.

Aus Hundesicht ist das Streicheln über den Kopf zuerst mal etwas sehr bedrohliches. Der Kopf ist eine verwundbare Stelle. Instinktiv wissen das auch unsere Hunde und fremde Hände, die wie ein Damoklesschwert über dem Schädel schweben, sind außerhalb ihres Sichtfeldes und mögen vielleicht auch nichts Gutes heißen. Und dann wären sie in Ihrer Wehrhaftigkeit eingeschränkt, denn sie müssten sich erst seitlich weg- und umdrehen, um sich mit ihren Zähnen verteidigen zu können.

Somit ist das Über-den-Kopf-Streicheln etwas sehr vertrauensvolles, persönliches und intimes, das oft nur von der eigenen Familie oder engsten Freunden gern entgegen genommen wird. Wenn am Abend der Hund entspannt am Sofa daneben liegt, lässt man sich auch gern mal den Kopf kraulen. Würden unsere Hunde aber wählen können, gäbe es mindestens 10 Körperstellen, die sie dem Kopfstreicheln vorziehen würden. Zum Beispiel seitlich am Hals oder unten an der Brust, auch die Ohrenmassage ist top und am Bauch massiert zu werden ist sowieso erste Sahne.

Warum aber wollen wir Menschen Hunde immer über den Kopf streicheln? Ich denke, dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits ist das für uns Menschen eine Zuneigungsgeste, so wie wir auch Kindern über den Kopf streicheln oder Menschen, die wir trösten möchten. Andererseits hat man dadurch beim Hund auch die Möglichkeit nicht selbst von ihm angesabbert und abgeschleckt zu werden, da man ja vermeintlich „auf der anderen Seite“ ist. Und vor allem aber sind die Menschen davon überzeugt, dass unsere Hunde diese Berührung auch mögen und sie ihnen damit was Schönes tun.

Hiermit möchte ich es klar und deutlich aussprechen: Nein, die meisten Hunde mögen es nicht! Und es wird auch nicht besser, wenn der Hund beim ersten Versuch zurückweicht und man es ein zweites oder gar drittes Mal versucht. Wer fremde Hunde streicheln möchte, sollte ihnen auf Nasenhöhe die Hand entgegenstrecken und ihnen die Möglichkeit geben, von sich aus Kontakt aufzunehmen. Wenn der Hund gegen eine Berührung nichts einzuwenden hat, dann kann man auch langsam und vorsichtig die Brust oder seitlich am Körper streicheln. Das wird von den meisten gerne angenommen. Wer selbst nicht mit Hundesabber oder der feuchten Nase in Berührung kommen will, der sollte es lieber ganz bleiben lassen.

Wird der Hund dazu gezwungen, sich am Kopf streicheln zu lassen obwohl er schon eindeutige Zeichen setzt, dass er dies nicht mag, kann das leider dazu führen, dass der Hund irgendwann keinen Ausweg mehr weiß als nach der Hand, die gerade von oben kommt, zu schnappen. Soweit darf es nicht kommen!

Seit geraumer Zeit wehre ich nun Doggen-Streichel-Anfragen ab. „Nein bitte nicht, sie mag es nicht“, was ja nicht mal ganz gelogen ist. Passt doch mal die Sympathie bei Ronja und mir, lass ich mich überreden, aber nur noch mit entsprechender Anweisung. „Bitte die Hand hinhalten zum Schnuppern und NICHT über den Kopf streicheln - Danke!“


Aktuelle Einträge
Archiv
bottom of page